Übernachten im Container an der A7: So schläft es sich im Roatel in Busdorf
In: Schleswiger Nachrichten
Von: Lisa Bohlander
Ist der Rollladen des acht Quadratmeter kleinen Zimmers heruntergelassen, könnte man sich genauso gut auf einem Schiff befinden. Oder auf einer Raumstation. Nichts verrät dann, dass sich der Container mit den vier Zimmern in einem Gewerbegebiet in Busdorf befindet. Direkt neben dem Autohof, keine zwei Minuten mit dem Auto oder dem Lkw von der Autobahn 7 entfernt.
Die unscheinbare Unterkunft nennt sich „Roatel” – ein Kofferwort aus dem englischen „Road”, deutsch Straße, und Hotel. Ein Hotel an der Straße, einfach ausgedrückt. Wie lässt es sich also übernachten in einem Roatel? Reserviert wird Online, auch eingecheckt werden kann jederzeit von überall. Voraussetzung ist also ein Smartphone mit Internetzugang. Per Mail gibt es dann den digitalen Zimmerschlüssel – Rezeption, Lobby oder Hotelboys hat ein Roatel schließlich nicht.
Roatel liegt im Gewerbegebiet beim Autohof Wikingerland in Busdorf
Das Mikro-Hotel in Busdorf liegt etwas versteckt: Von der Autobahn-Ausfahrt Schleswig/Jagel geht es zum Autohof Wikingerland, durch den Kreisel – die knöcheltiefen Schlaglöcher singen ein Lied davon, wie viele 40-Tonner diese Route täglich nehmen – vorbei an den Lkw-Stellplätzen und dem Schnellrestaurant. Die Straße führt in ein Gewerbegebiet. Von dieser Seite aus verschwindet das flache Containergebäude derart zwischen einem mannshohen Zaun einer Lagerhalle und dem angrenzenden Brachland, dass man es glatt übersehen könnte. In der Parkbucht davor steht ein schneeweißer Tesla.
Das ist es also. Ein graublauer, länglicher Container mit vier glasüberdachten, nummerierten Türen. Der hellgrau gepflasterte Weg führt schließlich zu Zimmer 3, dem Domizil für die Nacht. Ein Klick auf „Zimmer öffnen“ über den Link in der Mail, und das Schloss entriegelt mit einem Piepsen und metallenen Schnappen.
Kaum ist die Tür geschlossen, dringt kein Laut von außen herein. Die Klimaanlage surrt leise, es riecht leicht chemisch nach neuen Möbeln und Holz. Keine Kratzer, keine Flecken: Einrichtung und Ausstattung wirken unbenutzt, schließlich hat das Roatel erst Ende Januar eröffnet. Was noch auffällt, ist die Schlichtheit. Die hellen Möbel – Bettgestell, Nachttisch, eine Ablagefläche und ein offenes Fach – sind platzsparend an der Wand angebracht. Ansonsten gibt es Kleiderhaken, eine Toilette, ein kleines Waschbecken, eine Dusche und einen Fernseher. Das Fenster geht zum Parkplatz der Lagerhalle hinaus.
Selbst mit drei Taschen lässt sich in dem Zimmer kaum Chaos anrichten, so übersichtlich ist es. Bleibt die Frage, wo Reisende nach etlichen Stunden auf der Autobahn jetzt etwas Vollwertiges zu essen bekommen. Also raus aus dem Roatel – ein Sticker an der Tür erinnert, das Handy als Zimmerschlüssel nicht zu vergessen. Schließt man sich doch einmal aus, kann ein Mitarbeiter das Zimmer aus der Ferne öffnen. Zu Fuß geht es die Straße runter zum Rasthof Wikingerland.
Kabinenschlaf für Lkw-Fahrer versus ausgestattetem Roatel in Busdorf
Ein Lkw-Fahrer steuert mit einer Sporttasche in der Hand auf die Sanitäranlagen zu, an der Kasse holen sich zwei Trucker ihre Parkscheine ab. 7,50 Euro zahlen sie für eine Nacht, inklusive fünf Euro Verzehrgutschein. Für das Roatel zahlt man etwas mehr als das fünffache.
Lars Borchardt arbeitet seit drei Jahren auf dem Autohof an der Kasse. „Vom Roatel bekommen wir hier eigentlich nichts mit. An einem Wochenende in den Ferien ist hier die Hölle los, da stehen die Autos bis an die Abfahrt zum Tanken.” Deswegen kann sich der 18-Jährige vorstellen, dass die Übernachtungsmöglichkeit in den Sommermonaten, den Reisemonaten, gut ankommt. „Das wird spannend.“
Eine Rolle könnte auch das Kabinenschlafverbot spielen: Seit dem 1. Januar dürfen Lkw-Fahrer in der EU ihre Wochenendruhe nicht mehr in ihrer Kabine verbringen – sondern brauchen laut Verordnung eine „ordentliche Unterkunft”.
Trucker-Fazit: Das Roatel eignet sich vor allem für das Wochenende
Doch es ist unter der Woche, die Trucker dürfen also in ihren Kabinen schlafen. Draußen auf dem Parkplatz ist die Abendluft lau, es riecht nach Benzin. André Kretschmer steuert auf seinen Lkw zu. Was hält er vom Roatel- Angebot? „Das Bett sieht zu kurz aus. Dann hast du da deine zwei Meter, da muss man als langer Mensch das Kopfkissen rausschmeißen, um reinzupassen”, sagt er mit einem Blick auf ein Foto des Zimmers. „Aber für die Wochenendpausen ist es bestimmt eine gute Sache.”
Vier bis fünf Tage die Woche ist er auf der Straße unterwegs, das Wochenende verbringt er zu Hause. „Im Sommer ist es natürlich angenehm, wenn die Sonne auf die Hütte knallt”, ergänzt er und deutet auf das Dach seines weinroten Sattelzugs. Im Roatel sei es dann bestimmt klimatisiert.
Zurück zur Unterkunft für diese Nacht. Vor der Tür steht ein kleiner Mann und raucht. Er ist der Fahrer des Tesla, stellt sich heraus, und heißt Mariusz. Etwas untersetzt, graues Sweatshirt, raspelkurze Haare.
Mariusz ist Pole, arbeitet in Schweden und fährt für seinen Chef, der ein Haus in der Schweiz hat, Teslas durch die Gegend. „Mein Boss, er hat dieses Ding für mich im Internet gebucht”, sagt er in etwas gebrochenem Englisch. Es ist seine erste Nacht in einem Roatel – normalerweise schlafe er eher in Süddeutschland in billigen Hotels. „Aber jetzt hat mein Chef das hier gefunden, wo ich den Tesla laden kann”, sagt er und deutet in Richtung Autohof. Dort stehen zwei Dutzend Ladesäulen für die E- Autos.
Das Zimmer findet Mariusz okay, gegessen habe er bei Burger King. „Ich bin drei Tage am Stück unterwegs, also esse ich Fast Food”, sagt er und lacht. „Aber ich denke, dass es hier einen Lieferdienst gibt.” Bei Lieferando werden zwei Pizzaketten in der Nähe aufgelistet, weitere Restaurants bieten momentan keine Lieferung an. Bleibt nur, Mariusz eine gute Nacht zu wünschen. Außer dem dumpfen Türklacken von nebenan, als er noch eine Zigarette raucht, hört man nichts vom Nebenzimmer.
Doch es surrt. Und piept. Die ganze Nacht über fährt ein Lüfter an der Wand immer wieder hoch und runter. Er regelt die Luftfeuchtigkeit im Raum – und könnte geräusche mpAndlichen Gästen den Schlaf rauben. Also Ohropax einpacken: So bekommt man auch von Güterzügen, die in der Ferne vorbeirauschen, und nächtlichen Besuchen getunter Autos an der Straße nichts mit.
Gerade für Alleinreisende, die mit dem Auto unterwegs sind, ist eine Nacht im Roatel ideal. Für ein paar Stunden kann man sich in ein Refugium zurückziehen, abgeschottet von der Außenwelt. Bis die Rollläden am Morgen wieder hochfahren und und es zurück geht auf die Autobahn.
Quelle: sh:z Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag (zuletzt abgerufen am 25.04.2023)